„Blind und hilflos ließ man geschehen diese gnadenlose Tat…“
…so beschreibt Zeitzeugin Ursula Ostrowski selbst in einem eigenen Gedicht die Umstände der Deportation der letzten jüdischen Bürgerin, Hermine Schauß, aus Breidenbach. Um an die Opfer dieser Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern, fand am Dienstag dem 9. November in der katholischen Kirche in Biedenkopf eine Gedenkveranstaltung der Lahntalschule statt.
Dort hatten sich anlässlich des 83. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 68 Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse, Q1 und Q3 versammelt, um dem lebendigen und eindrücklichen Bericht der Zeitzeugin Ursula Ostrowski aus Breidenbach zuzuhören. Die Gedenkfeier wurde im Vorfeld von einem speziellen Kurs Geschichte und Politik der 9. Klassen vorbereitet, welchen die Schülerinnen und Schüler an der Lahntalschule im Bereich des Wahlunterrichtes wählen können.
Besonders der Zeitzeugenbericht von Ursula Ostrowski, die als junges Mädchen in Breidenbach die Deportation der letzten dort lebenden Jüdin, Hermine Schauß, miterlebt hat, beeindruckte die Schülerinnen und Schüler nachhaltig. In ihrem Bericht, der im Mittelpunkt der Veranstaltung stand, erzählte sie anschaulich, dass Familie Schauß sehr gut in die Breidenbacher Dorfgemeinschaft integriert gewesen sei und erst der Hass und die Hetze der Nationalsozialsten die Menschen verblendet hätten. Ihr abschließender Appell an die junge Generation von heute wird den Teilnehmern noch lange Zeit in Erinnerung bleiben:
„Ich war der festen Überzeugung, dass es Antisemitismus in Deutschland nie wieder geben würde. Umso erschreckender ist es, auch heute immer noch Hass und Gewalt mitzuerleben. Wenn jeder sich bemühen würde, seine Mitmenschen so zu akzeptieren, wie sie sind, müsste es doch möglich sein, in Frieden miteinander zu leben!“
Für einen sehr emotionalen Schlusspunkt der Gedenkfeier sorgten danach die Schülerinnen und Schüler des Wahlunterrichtskurses Geschichte und Politik, als sie die Namen von 36 getöteten und verschleppten Juden aus dem Hinterland verlasen und nach jüdischer Tradition für jeden von ihnen einen Stein im Altarraum niederlegten. Die bedrückende Stimmung dabei war für viele der Anwesenden emotional sehr bewegend.
Umrahmt wurde die Gedenkfeier von drei musikalischen Beiträgen unter der Leitung von Musiklehrer Fabian Dörr, der mit der Schülerin Lina Blöcher aus der Q3 Stücke der klassischen jüdischen Klezmer-Musik einstudiert und vorgetragen hat.
Lars Heidergott
Künstlerische Auseinandersetzung
mit der Reichspogromnacht
Im fachübergreifenden Unterricht Kunst-Geschichte setzten sich die Klassen 7b und 7f mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938 und ihren Folgen auseinander. Historische Fakten gewannen durch die Betrachtung ausgewählter Fotografien an Leben und führten den Schülerinnen und Schülern die Geschehnisse jener Nacht vor Augen: brennende Synagogen, zerstörte Gebäude, Schutt und Asche, von Rauch geschwärzter Himmel.
Mit Kohlestücken wurden anschließend kreativ Szenen jener Nacht gestaltet. Die Kohle wurde sanft über das rauhe Papier geführt und verwischt oder auch intensiv mit Fingern oder gar der ganzen Hand eingearbeitet.
Danach integrierten die Schülerinnen und Schüler eine fotokopierte Figur in ihre Bildszene. Die figürlichen Darstellungen sind Bestandteil des Mahnmals „Die Rampe“ von E. R. Nele, das sich mit der Deportation und Vernichtung von Menschen im Nationalsozialismus auseinandersetzt. Die 1985 entstandene Installation, die ein Güterwaggon zeigt, aus dem über eine Rampe körperlose Mantelmenschen fliehen, wurde im Unterricht betrachtet und vor dem historischen Hintergrund diskutiert.
Genauso intensiv setzten sich die Schülerinnen und Schülern mit ihren fertigen Bildwerken auseinander. Wir sprachen über Emotionen, die beim Betrachten der Bilder ausgelöst, und Geschichten, die im Bild erzählt werden. Neben Verzweiflung und Trauer war auch von Hoffnung und Glück die Rede und dem Wunsch, dass sich solche Ereignisse niemals wiederholen werden.