Finanzminister macht Lahntalschülern Lust auf Europa

Finanzminister macht Lahntalschülern
Lust auf Europa

Biedenkopf (sval). Was können wir gegen antieuropäische Strömungen unternehmen? Sollte die Türkei der EU beitreten? Und welche Lehren haben Deutschland und Europa aus der Flüchtlingskrise 2015 gezogen? Das sind nur einige der Fragen, mit denen die Schüler der Jahrgangsstufe 12 an der Lahntalschule Biedenkopf den hessischen Finanzminister Michael Boddenberg konfrontiert haben. Der war im Rahmen der Europawochen zu Besuch an dem Gymnasium und hat dort für ein starkes Europa geworben, an dem jeder selbst mitbauen müsse. 30 Jahre nach ihrer Gründung sei die Europäische Union für viele so selbstverständlich geworden, dass sie kaum noch bewusst wahrgenommen werde. Erst der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar vergangenen Jahres habe dazu geführt, dass man sich wieder stärker mit dem Staatenbund auseinandersetze und sich dessen Bedeutung bewusst werde, stellte Boddenberg fest.

Denn auch wenn Deutschland der größte Zahler in der Gemeinschaft sei, „sind wir ganz klar auch einer der Profiteure der EU.“ Das treffe auf Hessen ganz besonders zu. Denn Dreiviertel der Exporte unseres Landes gingen in das europäische Ausland, erklärte der Finanzminister. Mit der europäischen Zentralbank und dem Flughafen in Frankfurt befänden sich zudem zwei Institutionen mit zentraler europäischer Bedeutung in unserem Bundesland. Dennoch gebe es in allen Ländern – auch in Deutschland – politische Kräfte, die Europa in Frage stellten und sogar dagegen arbeiteten, betonte einer der Schüler. „Wie sollen wir damit umgehen?“ Hier sei es wichtig, den zugrundeliegenden Charakter dieser Kräfte zu entlarven, sagte Boddenberg und verwies etwa auf die AfD: „Deren Geschäftsmodell ist es, jede Krise zu nutzen, um Ängste zu schüren.“ Bei der Gründung der Partei sei das der Euro gewesen, in den vergangenen Jahren die Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind. Dabei polarisierten die Mitglieder der AfD aber nur, ohne wirkliche Lösungen aufzuzeigen. Dem müsse man entgegenhalten, dass man auf Dauer in der Welt nur in einem starken Gemeinschaftsbund bestehen könne, erklärte Boddenberg und verwies auf die Kräfteverhältnisse: „Es gibt 1,4 Milliarden Chinesen. Wir in Deutschland sind gerade einmal 80 Millionen. Und in Europa haben wir 400 Millionen Menschen – also sogar mehr als die USA. Das zeigt, wie wichtig es ist, als Gemeinschaft zu funktionieren.“ Die Befürchtung einer Schülerin, der Krieg in der Ukraine könnte bewirken, dass sich die Staaten nun wieder mehr auf sich selbst konzentrieren, versuchte Boddenberg zu zerstreuen. Eher sei das Gegenteil der Fall. Putin habe sich mit dem Überfall auf seinen Nachbarn einen Bärendienst erwiesen, wie zum Beispiel die Aufnahme Finnlands in die NATO zeige. Auch CDU-Landtagsabgeordneter Horst Falk, der Boddenberg begleitete, hielt den Befürchtungen der Schülerin entgegen, dass Krisen nicht dazu führen dürften, in Kleinstaaterei zurück zu verfallen. „Aber sie sollten dazu führen, dass wir die gesamte Globalisierung auch unter anderen Gesichtspunkten wie etwa dem Klimaschutz neu überdenken“, betonte er. Sollte deswegen die Türkei als neues Mitglied in die EU aufgenommen werden, wollte ein Schüler wissen. Hier vertrat Boddenberg eine klare Meinung: „Es sollte nicht Ziel der EU sein, dass alle Länder des Kontinents Mitglied in dem Bund werden. Vielmehr sollte die Voraussetzung ein gemeinsamer Wertekonsens sein.“ Die Türkei sei zum Beispiel weit von einer Rechtsstaatlichkeit entfernt und deswegen auch weit von einer Mitgliedschaft in der EU, erklärte der Minister. Zu den Lehren, die die Politik aus dem Flüchtlingsstrom von 2015 gezogen habe, erläuterte er, dass es von Vorteil wäre, Asylanträge schon an den Außengrenzen der EU abzuarbeiten. Auf diese Weise könnten dann direkt jene Bewerber aussortiert werden, bei denen ein Antrag ohnehin aussichtslos wäre, weil sie etwa aus einem sicheren Drittland stammten. Auf diese Weise würde man den Zustrom kanalisieren können und zugleich auch Menschenleben retten, weil diese eben nicht die gefährliche Reise über das Mittelmeer auf sich nehmen müssten. Ein weiteres Thema, das die Jugendlichen ansprachen, war der Klimaschutz. Hier erklärte Boddenberg, dass die Klimakleber dem Ziel, das sie verfolgten, eher schadeten als nutzten. Stattdessen müsse an der Transformation der bestehenden Probleme gearbeitet werden. Als Beispiel nannte er die technische Möglichkeit, klimaneutrale Treibstoffe herstellen zu könne. „Das funktioniert schon jetzt, ist aber noch fünf- oder sechsmal so teuer, wie herkömmlicher Treibstoff“, verdeutlichte er. Deswegen müsse die Forschung auf diesen Gebieten vorangetrieben werden. Bei der Frage, wie man bei den Menschen die Begeisterung für Europa wecken könne, schloss sich Boddenberg Horst Falk an. Der hatte dazu erklärt, dass die Menschen der verschiedenen Länder mehr in Kontakt miteinander kommen müssten – zum Beispiel durch Urlaube, aber auch Austauschprogramme und Lehrfahrten. „Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Regierungschefs der Länder bei Entscheidungen mehr an Europa denken und weniger an ihr eigenes Land“, so Falk. Das unterstrich auch Boddenberg: „Wir müssen aufhören zu fragen, was es uns bringt, sondern immer 27 Länder im Blick haben.“