„Wenn ihr für etwas brennt – tut es“
„Wenn ihr für etwas brennt – tut es“
Biedenkopf (sval). Ein Musterbeispiel für lebendigen Musikunterricht hat der Konzertpianist Andreas Hering nun in der Biedenkopfer Lahntalschule abgeliefert. Dort war der 39-Jährige zu einem Sonderkonzert im Rahmen der Eckelshausener Musiktage zu Gast, um den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, wie facettenreich und vor allem mitreißend Klaviermusik sein kann. „Das wird allerdings kein klassisches Konzert, bei dem ihr einfach nur zuhören müsst“, stellte Hering gleich zu Beginn klar. Vielmehr handele es sich um ein Gesprächskonzert, bei dem „ihr auch Fragen stellen und sagen könntet, was ihr blöd oder gut findet.“ Seine konzertante Zeitreise durch vier Jahrhunderte Musikgeschichte begann der gebürtige Marburger, der neben zahlreichen Konzertauftritten in ganz Deutschland auch an der Mendelssohn-Bartholdy-
Dessen Kompositionen, von denen es rund 1000 Stück gibt, bestehen oft aus verschiedenen Tänzen, die sich zu Suiten zusammenfügen, erklärte Hering den Schülern und lieferte diesen somit zwischen den Stücken immer wieder kleine Häppchen musiktheoretischen Hintergrundwissens.Dabei sorgte neben seinem virtuosen Spiel vor allem auch seine lockere Art dafür, dass seine Zuhörer ihm gespannt folgten. „Ihr fragt euch sicherlich auch manchmal, warum Pianisten immer so komisch gucken, wenn sie spielen“, ging Hering etwa auf sein intensives Mimikspiel am Flügel ein. Das habe mit den Emotionen zu tun, die sie während des Spiel empfinden, denn in ihren Werken verarbeiteten die Komponisten ja stets auch Gefühle, mit denen man sich verbinden müsse, um die Stücke authentisch wiedergeben zu können. „Aber ansonsten bin ich normal“, scherzte Hering. Zu den weiteren Komponisten, die sich der 39-Jährige ausgesucht hatte, gehörte auch Beethoven, den er als schwierigen und oft cholerischen Typ charakterisierte, der auch dem Alkohol sehr zugetan war. Dessen Zerrissenheit höre man auch vielen seiner Werke an, sagte Hering und führte „Eine Fantasie“ als Beispiel an. Diese hatte Beethoven bei einer Einladung improvisiert, nachdem man ihn aufforderte, doch mal ein Stück zu spielen. „Man merkt deutlich, dass er anfangs absolut keine Lust darauf hatte, aber sich das im Laufe des Spielens geändert hat. Das ist ziemlich verrückt, aber irgendwie auch cool.“ Mit Franz Liszt habe dann im 19. Jahrhundert der erste europaweite Popstar der Klaviermusik die Bühne betreten. „Wenn er gespielt hat, sind die Fans sogar in Ohnmacht gefallen“, verriet Hering und spielte eine von Liszts „Ungarischen Rhapsodien“, um den Schülern zu zeigen, wie sich seine Musik von der seiner Vorgänger unterscheidet. Fasziniert zeigten sich die Zuhörer aber auch davon, dass Hering alle Stück aus dem Kopf spielte. Auf die Frage, wie lange er denn dafür brauche, sich solche Mengen an Noten anzueignen, erwiderte er: „Normalerweise zwei bis drei Wochen. Wenn ich mich beeile, geht es auch mal in einer Woche.“ Hinter dieser Antwort, die einiges Staunen hervorrief, versteckte sich aber auch eine klare Botschaft des Pianisten an sein Publikum: „Wenn ihr euch für etwas interessiert, wenn ihr dafür brennt – dann tut es.“ Er selbst spiele Klavier, seit er 6 Jahre alt ist und „für mich war schon als Kind klar, dass ich Pianist werden will.“ Wenn man für eine Sache eine solche Leidenschaft aufbringen könne, dann sei das die Voraussetzung für Erfolg in diesem Bereich. Auf das Konzert mit Andreas Hering mussten die Schüler übrigens lange warten, wie der frühere Musiklehrer Klaus-Jürgen Höfer zugab. 2019 sei bei den Musiktagen für dieses Konzert gesammelt worden und „ich war mir sicher, dass es noch stattfinden würde, bevor ich 2020 in den Ruhestand gegangen bin.“ Doch leider sei ja dann die Pandemie dazwischen gekommen. Umso mehr freue es ihn, für diesen Anlass noch einmal zurück an seine alte Schule kehren zu können. Das traf auch auf Mareile Zürcher zu. Die Vorsitzende der Eckelshausener Musiktage erlebte das Gesprächskonzert ebenfalls mit und lud an dessen Ende alle anwesenden Schülerinnen und Schüler auch zu dem Beethoven-Marathon im Rahmen der Musiktage am 21. Mai im Atrium der Roth Werke in Buchenau ein. Dort wird Oliver Kern in einem vierstündigen Konzert acht der 32 Beethoven-Sonaten aufführen, umrahmt von der Schauspielerin Chris Pichler als Beethovens Haushälterin.