Es müsste doch möglich sein, in Frieden miteinander zu leben

Es müsste doch möglich sein,

in Frieden miteinander zu leben

Biedenkopf (sval). „Hass und Gewalt haben immer nur Angst und Leid über die Menschen gebracht. Dabei möchte doch jeder einfach von seinen Mitmenschen so akzeptiert werden, wie er ist.“ Der Appell Ursula Ostrowkis an die Teilnehmer der Gedenkfeier anlässlich des 84. Jahrestags der Judenpogrome in Deutschland, die Schüler der neunten Klassen der Lahntalschule organisiert haben, dringt tief in die Seele ein. Denn Ostrowski hat damals als Kind erlebt, was der Wahn der Nationalsozialisten aus den Menschen gemacht hat und zu was diese in der Lage waren. Zuvor hatte sie den Besuchern in der katholischen Kirche den Fall Hermine Schauss geschildert. Die jüdischstämmige Frau wurde in Deutschland geboren, war in Breidenbach tief im Dorfleben verankert, hatte einen Lehrer geheiratet und war sogar zum evangelischen Glauben übergetreten. Doch all das nutzte nichts. 1943 wurde Hermine Schauss deportiert und starb im Konzentrationslager. „Ich war viele Jahre der festen Überzeugung, dass es in Deutschland nie wieder Antismitismus geben würde“, gestand Ostrowski.

Umso größer sei ihr Entsetzen, dass es heute wieder zu Hass und Gewalt gegen Juden kommt, ergänzte sie. In einem Gedicht, das die Breidenbacherin bereits 1985 geschrieben und in der Zeitung veröffentlicht hat und im Rahmen der Gedenkfeier nun noch einmal vortrug, rollt sie nicht nur die Geschichte Hermine Schauss auf, sondern prangert auch die Menschen an, die aus Angst vor eigenen Repressalien weggeschaut und geschwiegen haben. „Hätten nur wenige ausgesprochen, was viele gedacht haben, wäre vielleicht mancher aufgewacht. Wir müssen wachsam bleiben“, forderte Ostrowski. Wie wichtig diese Forderung ist, belegte auch Pfarrerin Katharina Stähler, die an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erinnerte, in der in Deutschland bis zu 2000 Juden starben. Bis zum Ende des Krieges sieben Jahre später waren es ganze 6 Millionen. Stähler beantwortete auch die Frage, wie es überhaupt zu diesen An- und Übergriffen auf Juden kommen konnte. Dahinter steckte nämlich nicht der Volkszorn, wie die Nationalsozialisten damals propagierten. Tatsächlich geschah es aus einem viel trivialeren und deswegen umso erschreckenderen Grund, wie Stähler betonte: „Hitler wollte den Krieg. Dafür brauchte er Geld und da kam ihm das Geld der Juden gerade recht.“ Nicht minder erschreckend fiel auch das Fazit Stählers zu den aktuellen Entwicklungen aus. Ob Anschläge auf Synagogen, Pöbeleien gegen jüdische Fans in Fußballstadien oder der Vorwurf, die Juden hätten das Corona-Virus verbreitet – der Antisemitismus sei in der Gesellschaft wieder präsent und er greife immer weiter um sich. Allein in den vergangenen beiden Jahren haben Angriffe gegen Juden deutlich zugenommen. „Wir müssen uns laut und deutlich gegen diesen Antisemitismus stellen – egal wo wir sind“, forderte Stähler und begrüßte daher die Gedenkfeiern, die die Lahntalschüler veranstalten. Die Schüler selbst untermalten die Veranstaltung mit einigen klassischen Klezmer-Stücken – der traditionellen Musik der Juden, in der einerseits die Freude über das Leben, andererseits aber auch Melancholie und Trauer mitschwingt. Also genau die passende Musik für die Gedenkveranstaltung.