Frieden auf Erden  – Wie soll das gehen?

Wir befinden uns im Jahr 4 vor Christus. Ganz Israel ist von Römern besetzt und nun haben sie eine Zählung der steuerpflichtigen Bevölkerung angeordnet, weil sie so besser die Ausbeutung der Bevölkerung organisieren können. Da es aber kein Einwohnermeldeamt und kein Finanzamt gibt, müssen die Menschen dafür zurück in die Heimatorte ihrer Vorfahren. Ein Ehepaar trifft es besonders hart. Sie wohnen in Nazareth und sollen nach Betlehem, weil das der Heimatort der Familie des Mannes ist. Die Frau ist aber im neunten Monat schwanger und muss nun mehrere Tage auf einem Esel reiten, weil sie zu Fuß die Strecke von ca. 100 km nicht bewältigen kann. Sie merkt, es kann jeden Moment mit der Geburt losgehen. Die beiden schaffen es gerade noch nach Bethlehem und finden aber in der Unterkunft nur noch einen Platz dort, wo das Vieh sonst untergebracht ist. Die Geburt des Kindes verläuft trotz der widrigen Umstände aber zum Glück ohne Komplikationen und sie legen das Kind in einen Futtertrog.

Szenenwechsel. In der Umgebung sind Hirten, die ihre Herde nachts bewachen. Sie unterhalten sich, um nicht einzuschlafen und haben ihre Stöcke bereit, falls ein Dieb oder ein wildes Tier versuchen sollte, eines ihrer Schafe zu stehlen oder zu reißen.

In diese alltägliche Welt der kleinen Leute im besetzten Israel bricht nun der Himmel ein. Die Hirten sehen und hören Engel und das erste, was einer der Engel sagt, ist: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.“ Dann berichtet er den Hirten von der Geburt des Kindes und schickt sie nach Bethlehem. Und die Hirten machen sich auf den Weg und finden es so vor, wie sie von dem Engel gehört haben: ein Kind in einem Futtertrog. Und sie finden den versprochenen Frieden genau dort, denn sie gehen Gott lobend wieder zu ihren Schafen, nachdem sie das Kind gesehen haben.

Wie passt das zusammen: Frieden auf Erden und ein Kind im Futtertrog?

Zunächst einmal „Frieden auf Erden“ ist ein Apell und ein Versprechen. Gott will Frieden geben und er ermahnt uns zum Frieden. Frieden ist dabei aber nicht nur ein Nicht-Krieg oder eine Nicht-Aggression, sondern Frieden, wie es hier gemeint ist, ist ein Lebensprinzip, das den anderen annimmt und gelten lässt. Ein Appell zum Miteinander, zum Beenden des Gegeneinanders.

Das gilt für alle Ebenen. In der Familie fängt so ein Frieden an. Wir gehen alle in die Ferien und freuen uns auf die Geschenke, die unter dem Baum liegen. Alle sind froh und glücklich. Das ist unser Wunsch. Aber es kann eben auch anders sein. Die Geschenke sind weniger oder gar nicht da, weil das Leben für viele Menschen in unserem Land so teuer geworden ist, dass man genau darauf achten muss, was man noch kaufen kann. Oder die Familie kann nicht zusammenfeiern, weil es Streit gegeben hat, der die Gemeinschaft unmöglich erscheinen lässt. Oder einfach, der Stress für die Vorbereitung liegt auf zu wenigen Schultern und dann können diejenigen das Fest gar nicht genießen, weil sie zu erschöpft sind.

In der Schule steht zwar ein Weihnachtsbaum und wir treffen uns, um Weihnachtslieder zu singen, aber die Belastung der Schüler*innen durch die Anforderungen der Fächer oder das Zusammenleben in den Klassen, wenn das Klima in der Klasse mal nicht so gut ist, ist auch zu spüren.

In unserem Land wird das soziale Klima rauer, weil überall gespart werden muss, um die Hilfen für die Notleidenden zu bezahlen und was dann letztlich bei diesen Notleidenden ankommt, ist dann trotzdem zu wenig, um das, was fehlt, auszugleichen.

Es werden faule Kompromisse ausgehandelt und die Politiker, die mit Idealen angetreten sind, scheitern an ihren eigenen Ansprüchen und müssen wegen der Versorgung der Bevölkerung mit Energie mit sehr fragwürdigen Handelspartners Deals eingehen.

Und dann ist da natürlich noch der Krieg in der Ukraine. Kinder aus unserer Schule spüren das jeden Tag, weil sie von dort geflüchtet sind. Sie denken wahrscheinlich an Familienmitglieder und Bekannte, die immer noch dort leben und in Gefahr sind.

Und in diese Welt kommt der Spruch „Frieden auf Erden“. Wie soll denn das gehen?

Eines gilt für damals und heute: Die Welt, in die dieser Spruch gesagt wird, ist und war nie friedlich. Die Unterdrückung durch die Römer damals oder unsere Probleme wie soziale Not, Krieg und über allem Klimawandel heute, alles dies sind Zeichen, das unsere Welt weit von einem Frieden auf Erden entfernt ist. Manchmal können einige Teile der Welt einen friedensähnlichen Zustand erleben, aber Frieden auf der ganzen Erde hat es bisher noch nie gegeben.

Aber der Spruch will uns eben auch vor der Resignation bewahren. Es ruft uns das Ziel ins Gedächtnis, für das es sich lohnt anzutreten. Und jeder kann und soll an seinem Ort, in seiner Familie, in unserer Schulgemeinschaft und in unserem Land den Teil finden, den er/sie bewältigen kann, damit dieser Frieden mehr und mehr zu spüren ist.

Ein gutes Wort, ein fröhlicher Gruß oder ein Blick dafür, wo Hilfe nötig ist, die man geben kann, ist schon ein Anfang. Wenn das klappt, ist man auch für mehr bereit und vielleicht setzt sich dadurch etwas in Bewegung, was auch auf größerem Maßstab spürbar ist.

Ich wünsche uns zu Weihnachten, dass wir uns auf die Suche nach unserem Teil an der Schaffung des Friedens auf Erden machen, in welchem Lebenszusammenhang wir uns auch immer bewegen. Ich hoffe und bete, dass Gott uns dabei segnen und unterstützen wird und wir viele neue vielleicht überraschende und beglückende Erlebnisse haben werden wie die Hirten, die den Frieden bei dem Kind im Futtertrog fanden.

Ihr/Euer Wolfgang Schilling